Schmidt muß weg!

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gemini8
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Schmidt muß weg!

#1 Ungelesener Beitrag von gemini8 » 28.11.2017 19:40

Moinmoin.
Im Folgenden eine durch mich leicht angepaßte e-Mail, die über die Plattform Avaaz zu mir fand:
Ein Mann hat gestern über das Schicksal von mehr als 500 Millionen Menschen gerichtet: CSU-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt. Er hat im Alleingang eine fünfjährige Verlängerung von Glyphosat für ganz Europa durchgedrückt - gegen den Willen der Europäer und der Deutschen!

Es ist wirklich unfassbar: Seit Monaten kämpfen Menschen in ganz Europa darum, dieses Gift zu verbieten. Jetzt hat Schmidt einfach dreist gelogen und ohne die notwendige Zustimmung der SPD-Umweltministerin Fakten geschaffen. Es geht nicht um Parteizugehörigkeit, es geht darum, dass Deutschlands Landwirtschaftsminister Monsantos Cheflobbyist ist.

Mangelndes Vertrauen hat schon die Jamaika-Verhandlungen scheitern lassen, aber dieser Betrug an den Bürgern ist lügen auf einem komplett neuen Niveau. Schmidt vertritt nicht die Interessen der Bürger, sondern die der Industrie -- und muss gehen.
Unser dringender Appell an Kanzlerin Angela Merkel und Landwirtschaftsminister Schmidt lautet:

Landwirtschaftsminister Schmidt hat Glyphosat ohne Regierungskonsens genehmigt und damit seine Ministerkollegen und die Menschen in Deutschland und Europa hintergangen. Das Vertrauen in die Politik kann nur wiederhergestellt werden, wenn er sofort seinen Posten räumt und dann ein Glyphosat-Ausstieg in Deutschland initiiert wird.
Wenn sich die zuständigen Ministerien nicht einigen können, muss sich Deutschland bei EU-Abstimmungen enthalten. So war es im Fall von Glyphosat seit Monaten: Umweltministerin Hendricks war dagegen, Landwirtschaftsminister Schmidt dafür. So kam keine Mehrheit für eine Verlängerung zustande.
Doch jetzt hat Schmidt die Regierungskrise nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen ausgenutzt und einfach Nägel mit Köpfen gemacht. Obwohl er gestern Ministerin Hendricks mündlich und schriftlich zugesagt hat, dass es bei der Enthaltung bleibt, hat sein Entsandter in Brüssel heimlich für eine fünfjährige Verlängerung gestimmt.

Die Begründung? Die Kommission hätte sowieso für fünf Jahre verlängert. Es reicht. Schmidt hat den Bogen überspannt und sich als Minister und Volksvertreter endgültig disqualifiziert. Wir können nicht zulassen, dass solche skrupellosen Industrievertreter in unserer Regierung sitzen. Fordern wir jetzt seinen Rücktritt!

Gemeinsam setzt sich unsere Bewegung seit Jahren gegen Glyphosat und für eine Zukunft, in der die öffentliche Gesundheit und das Wohl unseres Planeten vor den Profitinteressen von Agrochemie-Giganten stehen, ein. Frankreich hat schon reagiert und verkündet, dass Glyphosat verboten werden soll. Zeigen wir jetzt Schmidt mit vereinten Kräften: So nicht!
Die Anpassungen beziehen sich hauptsächlich auf die Entfernung des an meine Identität angepaßten Direktlinks zur Eintragung meiner e-Mail-Adresse, die Anrede, Grüße und Avaaz-Informationen sowie die dadurch notwendige Veränderung der Zeichensetzung.
Zur Kampagne geht es hier.
Gruß, Jens
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Re: Schmidt muß weg!

#2 Ungelesener Beitrag von X1900AIW » 28.11.2017 20:21

gemini8 hat geschrieben:
(...) Schmidt vertritt nicht die Interessen der Bürger, sondern die der Industrie -- und muss gehen.(...)
Schmidt vertritt m.E. seine eigenen Interessen, nach der Politik ist vor Eintritt in ebenjene Industrie/Konzerne. Er will ja gehen :D doch vorher noch den Boden bereiten. Posten sind im Regelfall Machtmißbrauch für eigene Zwecke. Und Konzernen noch jahrelange Absatzmärkte erschließen, da hat er sich doch schon ohne weitere Gegenleistung ein Pöstchen bei der Chemie erschlossen. :bad:

In der Kommunalpolitik mag das anders sein, in der großen Politik als Karrieweg dürfte es nur wenige Ausnahmen geben, vielleicht solche Charaktere die schon zu lange in der Politik waren und dann als Berater/Aufsichtsräte und im Glücksfalle für die Gesellschaft als Mediatoren tatsächlich noch sinnvolle Arbeit leisten können.
Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben ist ein Fortschritt, Zusammenarbeiten ist ein Erfolg.
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Michael H.W. Weber
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Re: Schmidt muß weg!

#3 Ungelesener Beitrag von Michael H.W. Weber » 29.11.2017 16:34

Ganz so einfach ist das Thema leider nicht.
Aus meiner Sicht sind es genau genommen drei Themenblöcke:

1. Ein Minister der plötzlich eigenmächtigt tätig wird.
2. Glyphosat, das im Vergleich zu den Alternativen eher harmlos zu sein scheint.
3. Indirekte Effekte von Glyphosat, mit erheblichen Auswirkungen.

Zu 1 muss ich mich wohl nicht weiter äußern. Da ist ein Ding gelaufen, das ein Schlag ins Gesicht eines jeden Demokraten sein dürfte. Der Mann muss schlicht seinen Posten räumen.

Zu 2 ist zu sagen, dass es zu Glyphosat Studien gibt, wie Sand am Meer. Diese alle eigenhändig auswerten zu wollen, dürfte erst mal dauern. Das Zeug wird seit den 70ern unter verschiedenen Handelsnamen eingesetzt. Fakt ist, dass Glyphosat ein Total-Herbizid ist, das ein für Pflanzen spezifisches Enzym blockiert, so dass Pflanzen daran grundätzlich eingehen. Auf Insekten - explizit getestet an Bienen - hat es von allen getesteten Pestiziden mit die geringste tödliche Wirkung. Konkret: "Nur" <1% der mit Glyphosat behandelten Bienen sterben daran. Es ist ja auch kein Insektizid, sondern ein Herbizid.
Die Krebsstudien (die am Menschen grundsätzlich ein Problem sind: Entweder epidemiologische Studien, bei denen die Statistik oft hakt oder Zellkulturanalysen, wo die Relevanz für den Gesamtorganismus unklar ist) scheinen allesamt fragwürdig zu sein. Das geht soweit, dass die darin involvierten Leute analog zu Monsanto-Lobbyisten, nur auf dem anderen Ufer stehend, tätig werden und sich eine goldene Nase mit Gutachten verdienen. Man weiss irgendwann nicht mehr, welchen Publikationen man trauen kann.
Ein Problem scheinen gewisse Beistoffe, z.B. bei der RoundUp-Formulierung, zu sein (Tenside), die möglicherweise gefährlicher sind, als Glyphosat selbst.
Man kann auch in der Wikipedia dazu einiges lesen, da bekommt man zumindest mal einen schönen Einblick in die Komplexität des Ganzen.

Zu 3 möchte ich persönlich festhalten, dass ich die Nebeneffekte von Glyphosat für viel gefährlicher halte, als das Zeug selbst: Es werden flächendeckend Pflanzen abgetötet, die für die Biodiversität unserer Ländereien essentiell sind. Da geht es um Insekten, die keinen Lebensraum mehr haben und viele andere Organismen, um Vögel, die wiederum von den Insekten leben, usw. usf. Dann gibt es eine Studie, die zeigt, dass Bienen durch Glyphosat die Orientierung verlieren können. Und wir erinnern uns, dass gerade dieses Jahr erst ein Aufschrei durchs Land ging angesichts der zunehmend fehlenden Insekten.

Aber was ist die Alternative? Man kann Glyphosat verbieten. Das führt in der Praxis dann allerdings dazu, dass die Landwirte eben auf andere Spritzmittel ausweichen. Diese sind oft aggressiver als Glyphosat. Das Problem wird also nicht gelöst.

Und die wahre Ursache, bzw. das echte Problem, ist schlicht und einfach die Art, wie wir im großen Stil Landwirtschaft betreiben. Unsere Maßlosigkeit, unsere Verschwendung und unsere Bequemlichkeit. Und auch die Zahl der Mäuler, die zu stopfen sind.
Es gibt auf Kuba durchaus Modelle, wo durch Kombination bestimmter Pflanzen auf demselben Feld die gesamte Schädlichgsproblematik in den Griff bekommen wird. Aber kann man dann noch maschinell ernten? Ist das in unsere Breitengrade alles überhaupt übertragbar (Pflanzensorten, Kuba ist tropisch)? Hier mal zu forschen, würde dem Bundeslandwirtschaftsministerium gut zu Gesichte stehen, wie ich finde.

Also. So "easy" ist das alles gar nicht.
Auch wenn Monsanto dennoch eine "pöse Heuchrecke ist, die in ten Chtaup gechleutert gehörrrtttt." :lol:

Easy ist eigentlich nur, wie man das Vorgehen des Politikers zu bewerten hat.

Michael.
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Re: Schmidt muß weg!

#4 Ungelesener Beitrag von frank » 01.12.2017 11:06

Danke für diese fachlich fundierte und dennoch knappe Zusammenfassung

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Re: Schmidt muß weg!

#5 Ungelesener Beitrag von gemini8 » 01.12.2017 17:33

Moinmoin.
Michael H.W. Weber hat geschrieben: 1. Ein Minister der plötzlich eigenmächtig tätig wird.
[...]
Easy ist eigentlich nur, wie man das Vorgehen des Politikers zu bewerten hat.
Und genau darum geht es bei dieser Petition.
Ich möchte hier keine Werbung gegen Glyphosat betreiben. Hätte ich das gewollt, hätte ich damit schon vor längerer Zeit angefangen (und wäre vermutlich auf die Nase gefallen... :-D ).
Natürlich gehe ich davon aus, daß Leute, die gegen das Zeugs sind, die Petition gegen Herrn Schmidt eher unterschreiben als Leute, denen das Zeugs egal ist, oder die es sogar als positiv empfinden, aber grundsätzlich sollte das nichts zur Sache tun.
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Re: Schmidt muß weg!

#6 Ungelesener Beitrag von M. Franckenstein » 03.12.2017 15:16

Ich bin öfter mal bei Avaaz unterwegs - danke für die Zusammenfassung ...

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Re: Schmidt muß weg!

#7 Ungelesener Beitrag von Aurel » 16.12.2017 08:48

Wie bereits erwähnt wurde ist Glyphosat nicht das schlimmste, da gibts es noch weitaus andere Mittel (die lustiger Weise in der EU verboten sind, aber in den USA, zusammen mit Glyphosat, verwendet werden.)

Viel schlimmer ist aber, dass die Hersteller (Monsanto, DOW-CP und co) immer mehr genveränderte Pflanzen auf den Mark bringen. Diese sind gegen die Pflanzenschutzmittel immun, alle anderen Pflanzen werden getötet.
Da kommen viele Fragen auf:

-Wie sieht es mit Nutztieren aus, werden die ein geringeres Spektrum zum bestäuben haben?
-Wirkdauer, wie oft muss gespritzt werden?
-Wie wird gespritzt, z.B. Südamerika mit Flugzeugen. (Erkrankungen der Bevölkerung steigen, komischerweise^^, an.)
-Was passiert mit dem Mineralhaushalt des Bodens, wird Monokultur betrieben oder kann das Land alle 3-4 Jahre brach liegen?

Klar kann ich die Bauern nachvollziehen, schließlich leben die davon. Die Liste von Alternativen ist klein, aber ein zu häufiger Einsatz von Glyphosat wird zu schweren Schäden führen. Bei Bauern selbst, bei Tieren wie Kühe und auch beim Menschen.
Es gibt Anzeichen für potentielle Erbgutschädigungen durch Pflanzenschutzmittel. Ich möchte kein sofortiges Verbot, sondern eine offene Diskussion darüber bei den Anwendern.

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Michael H.W. Weber
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Re: Schmidt muß weg!

#8 Ungelesener Beitrag von Michael H.W. Weber » 16.12.2017 23:10

Und ich möchte, dass die toxikologischen Untersuchungen auf die Abbauprodukte ausgeweitet werden.
Es gibt Beispiele, bei denen diese wesentlich gefährlicher sind, als der Ausgangsstoff und meist werden sie eben nicht untersucht.

Michael.
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